Wer von Hoyerswerda nach Dresden will, ist entweder auf ein eigenes Gefährt angewiesen – oder dem Öffentlichen Personen Nahverkehr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Das klingt hart, ist es auch für nicht Motorisierte. Denn allein die Fahrzeiten zwischen Hoyerswerda und Dresden Hauptbahnhof beträgt eineinhalb Stunden. Oder mit dem Bus nach Kamenz und von dort mit der Bahn, dauert eineinhalb Stunden. Geht aber nur in den Hauptverkehrszeiten. Aber was ist denn mit den Hoyerswerdaern, die mal zum Wochenende in die Oper nach Dresden wollen? Oder zum Abendshopping? Für die wollte die Hoyerswerdaer Verkehrsgesellschaft Schwarze Elster (VSE) etwas tun…
So hat die VSE im vergangenen Jahr beantragt, eine Direktverbindung von Hoyerswerda nach Dresden anbieten zu dürfen. Doch nicht einfach unter der Woche, da fahren ja schon Züge bzw. Bus-Zug-Kombis, sondern für Freitag, Sonnabend und Sonntag und das jeweils ohne zeitraubende Zwischenhalte zwischen Hoyerswerda und Dresden. Geplant waren folgende Abfahrtszeiten:
nach Dresden | nach Hoyerswerda | |
von Hoyerswerda | 9 Uhr – 17 Uhr – 21 Uhr | |
von Dresden | 11 Uhr – 19 Uhr – 23 Uhr |
Dabei sollte aber kein großer, schwerfälliger Bus zum Einsatz kommen, sondern die VSE will einen Mercedes Sprinter – vermutlich das Modell Sprinter Travel 65 mit bis zu 17 Sitzplätzen – kaufen und für diese Strecke nutzen. Warum so ein kleiner Bus?
Die Vorteile des Sprinter liegen auf der Hand: Der Sprinter ist schneller – schafft die Strecke in einer Stunde Fahrtzeit, während ein großer Stadt- oder Überlandbus sicherlich eine halbe Stunde extra brauchen würde. Der Verbrauch des Sprinter liegt auf dieser Strecke unter 15 Liter auf 100km, während ein großer Bus nicht weniger als 30-35 Liter für 100km schlucken würde. Und natürlich macht es einfach wenig Sinn, mit einem Riesenbus mit 50-60 Sitzplätzen zu fahren, wenn der sowieso nicht voll wird. So hat der Fahrer auch die Fahrgäste besser im Blick, niemand kann so einfach anonym mitfahren und z.B. die Sitze aufschlitzen.
Aber wie das so in Deutschland ist: Wer eine gute Idee hat, kann nicht einfach so loslegen. Denn das Personenbeförderungsgesetz (aus dem Jahre 1934!) regelt natürlich auch allen Öffentlichen Personennahverkehr. In diesem Fall musste also ein Antrag bei der Landesdirektion Dresden gestellt werden. Diese prüft nun, ob die Linie genehmigungsfähig ist. Welche Punkte entscheidend sind? § 13 Absatz 2 gibt Auskunft:
(2) Beim Straßenbahn-, Obusverkehr und Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen ist die Genehmigung zu versagen, wenn
- 1.
der Verkehr auf Straßen durchgeführt werden soll, die sich aus Gründen der Verkehrssicherheit oder wegen ihres Bauzustandes hierfür nicht eignen, oder- 2.
durch den beantragten Verkehr die öffentlichen Verkehrsinteressen beeinträchtigt werden, insbesondere
- a)
der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend bedient werden kann,- b)
der beantragte Verkehr ohne eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung Verkehrsaufgaben übernehmen soll, die vorhandene Unternehmer oder Eisenbahnen bereits wahrnehmen,- c)
die für die Bedienung dieses Verkehrs vorhandenen Unternehmer oder Eisenbahnen die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs innerhalb einer von der Genehmigungsbehörde festzusetzenden angemessenen Frist und, soweit es sich um öffentlichen Personennahverkehr handelt, unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 selbst durchzuführen bereit sind.
§ 13 Absatz 2 Satz 2 a ist hier der Knackpunkt, denn wenn eine Prüfung ergeben sollte, dass die bestehenden Verbindungen bereits ausreichend sind, dann wird Satz 2 b – sprich die Verbesserung des bestehenden Angebots – nicht entscheidend sein. Und in diesem Zusammenhang wurden dann gemäß § 14 die Konkurrenzunternehmen der VSE angehört. Laut einem Bericht der Lausitzer Rundschau sei deren Fazit klar:
Die Konkurrenz ist dagegen. Nach deren Auffassung ist die bestehende Nachfrage nach Fahrten in die Landeshauptstadt mit dem zur Zeit vorhandenen Verkehrsangebot im öffentlichen Nahverkehr ausreichend bedient.
Natürlich ist die Konkurrenz dagegen, da hat doch niemand Lust darauf, die attraktive Strecke und damit den möglichen Gewinn mit einem neuen Wettbewerber teilen zu müssen. Aber das muss nicht zwangsläufig das Ende für die Dresden-Pläne bedeuten, denn der § 14, der die Anhörung der Beteiligten regelt, benennt noch weitere wichtige Stellungnehmer:
(1) Vor der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Genehmigung für die Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen oder mit Kraftfahrzeugen im Linienverkehr hat die Genehmigungsbehörde
- 1.
die Unternehmer, die im Einzugsbereich des beantragten Verkehrs Eisenbahn-, Straßenbahn-, Obusverkehr oder Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen betreiben, zu hören;- 2.
die Stellungnahmen der im Einzugsbereich des beantragten Verkehrs liegenden Gemeinden, bei kreisangehörigen Gemeinden auch der Landkreis, der örtlich zuständigen Träger der Straßenbaulast, der nach Landesrecht zuständigen Planungsbehörden und der für die Gewerbeaufsicht zuständigen Behörden sowie anderer Behörden, deren Aufgaben durch den Antrag berührt werden, einzuholen;- 3.
die Industrie- und Handelskammern, die betroffenen Fachgewerkschaften und die Fachverbände der Verkehrtreibenden gutachtlich zu hören; sie kann auch weitere Stellen hören.(2) Vor der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für die Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen im Gelegenheitsverkehr hat die Genehmigungsbehörde die Gemeinde, in deren Gebiet der Betriebssitz des Unternehmens liegt, die nach Landesrecht für die Gewerbeaufsicht zuständige Behörde, die Industrie- und Handelskammer, die Fachgewerkschaften und Verkehrsverbände gutachtlich zu hören. Sie kann auch weitere Stellen hören.
Wenn nun also sowohl die betreffenden Gemeinden, also die Städte Hoyerswerda und Dresden als auch die Industrie- und Handelskammern die Möglichkeit zur Stellungnahme nutzen und dies positiv bescheiden, dann sieht das Bild nicht mehr allzu schlecht aus.
Dazu kommt eben, dass hier eine neue Strecke mit neuem Fahrgast-Potential erschlossen wird, dadurch dass Randzeiten rund ums Wochenende bedient werden. Vielleicht wäre die Idee noch vielversprechender, wenn man den Bus auch die Nacht durchfahren ließe – das wäre aber wenig wirtschaftlich, weil wohl kaum jemand um 1 Uhr morgens nach Dresden will, während sicherlich um 3 Uhr morgens Potential für Fahrgäste nach Hoyerswerda da wäre.
Und das ist der nächste kritische Punkt. Die Wirtschaftlichkeit. Für gerade einmal maximal 17 Fahrgäste muss ein Fahrer – im Idealfall wären es 17 * 2 * 3 = 102 mögliche Fahrgäste am Tag, für die dann mindestens ein Faher, wohl eher zwei Fahrer benötigt würden. Dazu kommen die einmaligen Anschaffungskosten für den neuen Bus von mindestens 100.000 Euro und die Betriebskosten, die sicherlich pro Fahrt nicht unter 25 Euro liegen. Was da ein Fahrschein kosten müsste, um Gewinn erzielen zu können, kann man sich leicht ausrechnen. Wenn dann die durchschnittliche Auslastung nur noch bei 50% oder noch weniger liegt, dann gerät auch eine solche Rechnung ins Wanken.
Kurzum: Die Einwände der Konkurrenten könnten die Pläne der VSE schnell zunichte machen. Das wäre sehr schade, weil die VSE hier den richtigen Riecher hat, die Anbindung Hoyerswerdas an die Großzentren – sei es Dresden, Cottbus oder Berlin – ist mehr als mangelhaft. Dass sich die VSE auf die Randzeiten beschränkt hat, ist vor dem Hintergrund der Einspruchsmöglichkeiten der Konkurrenz nachvollziehbar und wenn sich das Angebot durchsetzen sollte, könnte man ja sehr einfach neue Anträge für eine Erweiterung des Angebots stellen. Ich hoffe, dass die VSE ähnliche Pläne eben auch für eine anständige Anbindung nach Berlin hegt, in dieser Relation liegt auch noch ungehobenes Potential, nachdem die Bahn diese Verbindung fast auf Null gestrichen hat.