Schrill, laut, auffällig – BILD. Auch diesmal macht BILD wieder mit einer großen Geschichte aus der Region auf. Es geht um „Die Zukunftskarte der Sachsen-Städte„! Dabei handelt es sich um die Auswertung der Studie zur Bevölkerungsprognose der Bertelsmann Stiftung. Diese ist ein Kind des mittlerweile verstorbenen Bertelsmann-Eigentümers Reinhard Mohn. Bertelsmann ist ein vielfältiger Medienkonzern, zu dem unter anderem der Stern, GEO, National Geographics gehören und der auch Anteile z.B. am Spiegel und an der Sächsischen Zeitung hat. Zum Unternehmensgeflecht, das seine gemeinnützige Stiftung gern als „Türöffner“ für lukrative neue Geschäftsbereiche einsetzt, so zum Beispiel bei der Privatisierung von Verwaltungsdienstleistungen durch die Konzerntochter arvato. (Mehr Kritik an der Bertelsmann-Stiftung findet Ihr im Internet z.B. hier)
BILD berichtet jedenfalls heute von einer „aktuellen Studie“, veröffentlicht unter www.wegweiser-kommune.de, die den Schrumpfungseffekt untersuche – mit „teils überraschenden Ergebnissen.“ Extrem überraschend. Denn schon 2008 bot die Bertelsmann-Stiftung Daten zur Bevölkerungsentwicklung auf der gleichen Internetplattform an. Diese reichten bis ins Jahr 2025 und wurde dann 2011 um die Daten bis 2030 erweitert. Auch damals berichtete unter anderem BILD udn viele Regionalmedien. Der Stern brachte sogar eine Serie zur Demographie und ging explizit auf Hoyerswerda ein. So alt – so bekannt.
Was macht diese Studie eigentlich? Kurz gesagt verbindet sie bekannte Strukturdaten mit Annahmen zur weiteren Entwicklung, durch die Fortschreibung der vergangenen Jahre lassen sich vorherige Analaysen auch besser auf ihre Belastbarkeit prüfen. Zu Hoyerswerda sagt die Studie, dass der Einwohnerschwund anhalten wird und die Stadt daher bis 2030 auf eine Zahl von nur noch 23.430 Einwohnern schrumpfen wird. Die Stadt wird überproportional viele alte Menschen haben, aber auch die Zahl der Jungen soll steigen. So soll der Anteil der unter 20-Jährigen auf 25% der 20-64-Jährigen steigen, während die über 65-Jährigen über 100% der 20-60-Jährigen entsprechen. Uff, unnötig kompliziert gerechnet und auch leicht misszuverstehen. Umgerechnet bedeutet das, dass im Jahr 2030 11,2% der Bevölkerung unter 20 Jahre alt, 44% zwischen 20 und 64 Jahren und die restlichen 44,8% mindestens 65 Jahre alt sind.
Aber wie gesagt, das ist nicht neu, macht aber eben eine schöne Schlagzeile im Sommerloch. Verbunden mit der oben gezeigten hübnschen Grafik mit gesenktem Daumen und der Beschriftung: „Der Verlierer im Freistaat!“
Die Werte, die Bertelsmann für Hoyerswerda ermittelt haben will, sind schockierend. Sie sind nicht neu. Und niemand weiß, ob diese Prognosen auch wirklich so eintreten werden. Doch mit schockierenden Nachrichten kann man eben auch „einfache Lösungen“ verkaufen und das ist der wahre Zweck der schockierenden Prognosen. Es geht darum, wie sich der Staat auf die Herausforderungen der Zukunft einstellen soll. Es werden aber weniger Fragen gestellt, wie man dafür sorgen kann, dass die Prognose nicht zutreffen wird. Und da gab es zuletzt einige Indikatoren, die bei zukünftigen „neuen Schockstudien“ Hoyerswerda möglicherweise positiver dastehen lassen könnte. So sind z.B. durch das neue Asylbewerberheim mehr als 100 vorwiegend junge neue Bewohner in die Stadt gekommen, wenn davon im Jahresschnitt nur 10 in Hoyerswerda bleiben, arbeiten und Familien begründen, ist das ein kleiner Hoffnungsschimmer. Auch lässt die schwierige Situation bei der Kinderbetreuung in anderen großen Städten Hoyerswerda auf einen Schlag attraktiver für junge Familien erscheinen. Es ist immer noch Zeit, zu handeln!
Nur nebenbei bemerkt, was passiert, wenn man im BILD-Artikel auf den Link zu Hoyerswerda klickt: Da wird also anmoderiert, dass man dort sehen können, dass die Stadt bis 2030 sagenhafte 38% ihrer Einwohner verliere. Und dann sieht man – einen Bericht über die Gerichtsverhandlung gegen „rechte Schläger“ aus dem Jahr 2012. Aha – typisch Hoyerswerda eben!