Wenn am Sonnabend in Hoyerswerda rund um den Lausitzer Platz ein Spaziergang der Hoygida als lokaler Ableger der Pegida-Bewegung unterwegs ist, wird schon die erste hitzige Debatte vorüber sein. Denn noch heute am Freitagabend lädt die Stadt Hoyerswerda gemeinsam mit dem Bürgerbündnis Hoyerswerda hilft mit Herz alle Bürger zu einem Offenen Bürgerforum ins Jugendklubhaus Ossi ein. Ab 19 Uhr darf frei von der Leber weg diskutiert werden und werden Antworten auf Fragen unter anderem von lokalen Politikern geboten.
Dialog scheint das Gebot der Stunde zu sein. Denn die Pegida-Bewegung, die in Dresden ihren Anfang genommen hat, definiert sich als unverstandene Bürger, denen niemand zuhören will. So gesehen, wäre also allein die Ankündigung einer Pegida-Demonstration bereits erfolgreich, weil ja nun der Dialog offen angeboten wird. Ist es aber eben nicht, denn die Stadt Hoyerswerda ist bereits seit vielen Monaten bemüht, den Bürgern offen entgegenzutreten. Mehr denn je finden öffentliche Diksussionsveranstaltungen statt, um die Bewohner „mitzunehmen“ bei der lokalen Politik. So sollen unter anderen Abrisspläne öffentliche diskutiert werden, so fanden Informationsveranstaltungen zum Asylbewerberheim und ein Tag der Offenen Tür in selbigem statt. Hoyerswerda ist da im Lokalen schon etwas länger auf dem richtigen Weg.
Doch schein wollen Einige eher, dass die Stadt sich auf dem rechten Weg befinden solle… Da ist sie wieder die Nazi-Keule. Sind das denn jetzt alles Nazis bei HOYGIDA? Und wer ist das überhaupt? Gucken wir uns doch mal ihre Positionen an:
Die Auswahl der Gastredner spricht zum Ersten dafür, dass die aus Dresden gesteuerte Pegida-Bewegung sich vom symbolträchtigen Namen Hoyerswerda viel verspricht. Denn mit Edwin Utrecht ist einer der prominentesten Pegida-Sprecher in Hoyerswerda anwesend. Er (vermeintliche?) Niederländer ist auf vielen anderen Pegida-Veranstaltungen aufgetreten, so in Dresden, Leipzig, Kassel, Hannover, in der Schweiz und vielerorts woanders. Dazu ist auch der bekannte Anti-Islam-Autor Zahid Ali Khan zugegen. Sein Buch „Die Verbrechen des Propheten Mohammed“ erfreut sich besonders in latent rechtsgerichteten Kreisen großer Beliebtheit und kolportiert gern damit, dass er angeblich für seine Kritik von Islamisten bedroht wird – ein vermeintlicher Mordanschlag auf ihn entpuppte sich jedoch als PR-Gag. Gespannt darf man sein, ob sich noch andere Redner finden und aus welchem Spektrum sie entstammen.
Und was sind die Inhalte? Was wollen sie? Der oben abgebildete Flyer zeigt das Forderungsammelsurium. Dabei fällt auf, dass konsequent nebulös gefordert wird. In diesem Katalog geht es stets um „Zuwanderer“ – dabei scheint das eigentliche Ziel doch eher die Asylbewerber zu sein. Zuwanderer werden in Deutschland händeringend gesucht, weil das eben gesteuerte Einwanderung in unseren Staat ist, bei dem sich Deutschland aussucht, wen es aufnimmt und ob es dauerhafte Aufenthaltstitel aussprechen möchte. Asyl hingegen ist ein Grundrecht, dass meist den zetlich beschränkten Schutz in Deutschland vor Krieg, Verfolgung oder anderem Unheil bietet. Nur wenige Asylbewerber erhalten dauerhafte Aufenthaltstitel.
Doch im buten Strauß befinden sich noch eine Menge an Forderungen, die viele Bürger befürworten: So zum Beispiel die konsequente Anwendung von Gesetzen bei Straftätern. Wobei es da egal ist, ob es Deutsche, Nichtdeutsche oder sonstwen betrifft. Nur, im Deutschen Strafrecht kommt Sühne vor Vergeltung und das gilt für alle Straftäter. So darf zum Beispiel ein Uli Hoenß, der mutmaßlich eine zweistellige Millionensumme an Steuergeldern hinterzogen hat, schon nach kurzem Aufenthalt im Strafvollzug in den offenen Vollzug, so werden bei jugendlichen Straftätern immer auch die persönlichen Hintergründe und zukünftigen Entwicklungschancen in der Gesellschaft berücksichtigt, denn Strafe ist kein Selbstzweck. Im Idealfall soll die Strafe nach unseren Gesetzen zur Einsicht beim Täter und zum Ablassen von strafbaren Handlungen führen. Und natürlich wünschen sich auch nicht nur „Rechtsgerichtete“ ein Ende des Personalabbaus bei der Polizei. In diesem Forderungsblock werden sich viele Bürger wiederfinden. Und das ist auch Absicht.
Dass man das Ganze unter das Motto „Bewahrung und Schutz der Identität und unserer christlich-jüdischen Abendlandkultur“ stellt, entbehrt freilich nicht einer gewissen Komik. Aber es riecht doch gewaltig nach etwas anderem. Denn diese Ziele dürften besonders im Brandenburgisch-Sächsischen Raum bekannt geworden sein, durch die rechtsgerichtete Bewegung der Identitäre.
Und wer steht nun hinter dem Hoyerswerdaer „Spaziergang“ der Hoygida? Nicht alle Köpfe hinter Hoygida sind „Nazis“. Dennoch sind auch bekannte Gesichter aus der Stadt, die sich offen rechtsgerichtet geben mit bei den Organisatoren. Und es wird sich auch am Sonnabend zeigen, welche Haltung die Demonstrationsteilnehmer haben.
Aber da muss man doch etwas dagegen tun?! Zunächst einmal ist es das ausdrückliche Recht, dass jeder Deutsche demonstrieren darf. Diese Freihheit steht Jedem zu. Genau wie es Jedem frei steht, gegen den als Spaziergang bezeichneten Aufzug zu demonstrieren.
Der Spaziergang soll am Sonnabend um 15 Uhr auf dem Lausitzer Platz beginnen, über die Bautzener Allee, die Erich-Weinert- und die Käthe-Niederkirchner-Straße wieder zurück zum Lausitzer Platz führen. Dort soll um 16 Uhr die Abschlusskundgebung stattfinden. Bereits ab 14 Uhr demonstriert das eingangs erwähnte Bürgerbündnis in direkter Nähe zwischen Lausitzhalle und Lausitz-Center gegen den Aufzug der HOYGIDA.
Der friedliche Wettstreit von Meinungen und Ideen ist Ausdruck einer starken Demokratie und doch wünscht man sich, dass die Spaziergänger sich gründlich informieren, bevor sie dümmlichen Thesen hinterherlaufen. Die vorangegangenen Spaziergänge in anderen Städten haben klar gezeigt, dass es keinesfalls einfach nur Patriotische Europäer sind, sondern zu großen Teilen einfach nur gewöhnliche Ausländerfeinde.
Dass an der Politik in Deutschland und Europa viel Kritik nötig ist und am richtigen Platz ankommt, ist unbestritten. Dass Hoyerswerda von einer Islamisierung oder Überfremdung bedroht ist, entbehrt in einer beispiellos sterbenden Stadt nicht einer gewissen Komik. Stand 31.12.2014 lebten unter insgesamt 34.121 Hoyerswerdaern immerhin 594 Ausländer, das macht 1,7% unserer Gesamtbevölkerung aus, wobei Polen mit 84 und Ungarn mit 66 Personen die größten Kontigente an ausländischen Bürgern bilden.
Ausgerechnet Hoyerswerda stöhnen nicht nur die Hoyerswerd’schen wenn es nun wieder einmal eine große rechtsgerichtete Demonstration gibt. Ausgerechnet Hoyerswerda frohlocken natürlich Nazis deutschlandweit, freuen sich auch ihre linken Gegenspieler aus den Großstädten. Diesen Schlagabtausch braucht Hoyerswerda nicht und will es nicht!
Wer heute Abend keine Zeit oder Lust hat, bei der Diskussionsrunde im Ossi dabei zu sein, für den hat die Stadtverwaltung die bekannte Bürgertelefonnummer als Anlaufstelle für Fragen, Sorgen und Nöte geschalten. Unter 03571 – 456789 ist die Stadt montags bis donnerstags von 09.00 Uhr bis 15.00 Uhr und freitags von 09.00 Uhr bis 13.00 Uhr erreichbar. Außerdem sind weitere Bürgersprechstunden in Planung. Der Dialog läuft – in Hoyerswerda schon etwas länger als anderswo in unserer Republik.