Vor etwa 4 Jahren entschloss sich die Lausitzer Rundschau, die Lokalausgabe Hoyerswerda kostengünstiger durch Dritte „bauen“ zu lassen. So konnten die Macher der Lokalausgabe der Sächsischen Zeitung, das Hoyerswerdaer Tageblatt vom Hoyerswerdaer Wochenblatt Verlag im Lausitz-Center, ihre Stories nicht nur in der SZ-Ausgabe platzieren, sondern nahezu wortgleich erschienen die Ausgaben auch bei der LR. Das hatte das Kuriosum zur Folge, dass im Internet die Artikel bei der Sächsischen Zeitung hinter einer Bezahlschranke verschwanden, während die Lausitzer selbige online kostenlos für alle einsehbar anbot. Doch das hat seit diesem Jahr ein Ende!
Die Stammleser der Lausitzer Rundschau werden es bestimmt in den vergangenen Wochen schon aufgrund der regelmäßigen Ankündigungen in ihrem Blatt bemerkt haben, dass sich etwas ändern wird. Da wurde zum Bespiel unter den Lesern nach tollen Fotos gefahndet, aus denen dann das beste gekürt wurde. Der Sieger wird beim Rundschau-Stammtisch im Café Chocolounge im Kino geehrt. Aber warum denn ausgerechnet da? Die Antwort ist verblüffend. Für den Neustart der Lausitzer Rundschau in Hoyerswerda mussten kurzfristig Räumlichkeiten gefunden werden. So geriet das Café im Kino in den Fokus. Und seitdem treffen sich die Redakteure der neuen Lokalausgabe täglich in der Chocolounge im Herzen der Altstadt. Ein Arbeitsplatz, um den die schreibende Zunft sicher von vielen Kollegen beneidet werden dürfte! Die Lounge-Sessel, der leckere Schokoduft in der Nase, da müssen ja ganz tolle Artikel bei rauskommen – dazu aber später.
Denn so sind nun ganz fantastatische Assoziationen möglich. Nun kann man Politiker, die interviewt werden, im wahrsten Sinne des Wortes durch den Kakoa ziehen. Eine ketzerische Frage, die sich mir beim Ansehen der Werbeplakate der Chocolounge gestellt hat: „Zeit für süße Zweisamkeit“ – sitzen dann jetzt zum Beispiel Redakteur Sascha Klein und die freie Journalistin Ulrike Herzger in trauter Zweisamkeit um den Schokobrunnen, genießen die schokoumhüllte frische Obst und besprechen das Zeilenhonorar? Dazu wird es wohl nicht kommen. Dennoch bietet das einigen Stoff zur hämischen Beurteilung dessen, was dann am Ende in der Zeitung steht.
Denn der Neustart war journalistisch betrachtet alles andere als toll. Denn nicht nur, dass der Umfang der Berichterstattung aus der Stadt deutlich geringer war, es fehlte vor allem an Relevanz. Da fanden sich „geht-so-Artikel“, „Füllstoff“ und „Langweilergeschichten“. Eine bessere Geschichte war der Bericht über die Namensrechte der Fußball-Ligen – es fehlte zwar der aktuelle Aufhäger, es war enorm in die Länge gezogen – gut geeignet für ein Weblog, aber für eine Tageszeitung? Warum man eine wochenalte Ausschreibung des Landessportbundes zum Thema machen und eine Pressemitteilung breit treten muss, ohne Mehrwert für den Leser? Ob es sinnvoll ist, einer Glockengegnerin so breiten Raum zu gewähren – klar die Leute sollen sich ja aufregen. Das scheint auch der Trend für die Zeitung zu sein: Die Leser sollen aktiver werden und mitmachen. Unter vielen Artikeln prangt deshalb der Aufruf, doch per E-Mail mitzuteilen, wie man dieses oder jenes fände. Auch die Überschriften und Einstiege in viele Artikel lassen zu wünschen übrig, da hatte man in den ersten Tagen das Gefühl, den Machern wäre es scheißegal, ob das jemand lesen will oder nicht. Und doch muss man ehrlich bekennen: es wird besser!
Es finden sich nun täglich mehr lichte Momente. So zum Beispiel die politischen Berichterstattungen von Sascha Klein zum Stadtumbau oder zum Neujahrsempfang der Stadt-SPD. Mehr Relevanz zeigen auch der Bericht über den Kunstverein Hoyerswerda oder die Planungen des Gewerberings Stadtzukunft. Es spielt sich also langsam ein. Und das ist tatsächlich auch zu hoffen. Nicht nur für die Leser der Lausitzer Rundschau. Denn Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft und das kann die Stadt nur dringend vertragen. Denn ein Blick auf die Entwicklung der verbreiteten Auflagen beider Lokalausgaben zeigt, was das Ergebnis der gemeinsamen Lokalusgabe Hoyerswerda war:
Während die Sächsische Zeitung ihre Auflage im Schnitt bei zirka 6.500 verbreiteten Zeitungen täglich halten konnte, sackte die Auflage der Lausitzer Rundschau innerhalb von nur fünf Jahren um fast 2.000 Exemplare sogar unter den Schnitt der SZ auf 5.500 Exemplare täglich. Das sind beeindruckende Argumente, warum die LR etwas ändern musste. Bisheriger deutschlandweiter Trend war ja das Einsparen von Lokalredaktionen, was in den meisten Fällen zwar den Gewinn erhöhen konnte (dank sinkender Kosten) aber auf die Dauer nicht reichte, da unzufriedene Leser die Zeitungen eben nicht mehr kauften und Abos kündigten, was meist mit weiteren Einsparungen wieder ausgeglichen wurde. Folge ist, dass die Relevanz der Artikel sinkt, dass die Artikel zu Teilen nur noch zugrechtgeschnipselte Pressemeldungen sind, dass Recherche vor Ort immer öfter flach fällt.
Dass sich die Lausitzer Rundschau in einem solchem Umfeld entschließt, wieder eine eigene Lokalredaktion vor Ort zu etablieren, ist hoch anzurechnen. Ob das eingesetzte Personal ausreicht, um auch anspruchsvolle Artikel, Recherchen und Reportagen anzubieten, muss die Zeit zeigen. Vieles wird sicher nicht nur in der Anfangszeit über freie Redakteure gehen, die ihre Artikel dem Tageblatt für die SZ anbieten und der LR. Die können sich freuen, werden sie doch nun endlich gerecht für Artikel in beiden Zeitungen entlohnt.
Ob es der Rundschau mit diesem Schritt gelingen wird, mehr Leser zu erreichen oder zumindest den rasanten Leserschwund zu stoppen, wird eine spannende Sache werden. Denn noch in den Neunziger Jahren war die LR der unumstrittene Platzhirsch in der Stadt, hatte mehr als doppelt so viele Leser. Doch das änderte sich rasant. Und das lag eben nicht nur am Einwohnerschwund. Vergleicht man die Entwicklung der an die IVW gemeldeten verbreiteten Auflage von 1998 mit den heutigen und bezieht die Einwohnerentwicklung in diesem Zeitraum mit ein, dann zeigt sich, dass, währen die Stadt 33% der Einwohner verloren hat, die Auflage der Sächsischen Zeitung nur um 25% gesunken ist, die Auflage der Lausitzer Rundschau aber um 64% eingebrochen ist. Kamen vorher auf 28% der Einwohner eine verkaufte LR, sind es nun nur noch 15%. Im gleichen Zeitrum konnte die SZ 1998 nur Zeitungen für 15% der Einwohnerzahlen verkaufen, während es nun für 17% so ist. Kurzum: Beide Zeitungen haben Leser verloren, doch die LR hat zwischen 1998 und heute die Auflauge um 10.000 Exemplare senken müssen, die SZ nur um rund 2.000.
1 Kommentar
2 Pings
Hocherfreulich! Konkurrenz belebt. Gerade in einer Stadt wie Hoyerswerda. Allerdings wird sich die Rundschau straffen müssen, den redaktionellen Vorsprung der Kollegen einzuholen. Da ist über die Jahre durchaus was gewachsen. Andererseits wird auch die SZ mal wieder Gas geben müssen. Haben ihr Monopol in den letzten Monaten teilweise schamlos ausgenutzt. Geschichten wurden einfach vertagt oder so beschrieben wie es beliebte. Absolut unmöglich war die PR-Maschinerie für den Sportverein Zeißig. Das hat nichts mit ausgewogener und neutraler Berichterstattung zu tun. Aber vielleicht ändert sich ja jetzt was.
[…] compurobbie Kampf um Leser mit harten Bandagen: Tageblatt schreibt Brief an LR-Leser Letzte Woche äußerte ich an dieser Stelle noch meine große Freude darüber, dass die Lausitzer Ru…Da schrieb ich auch, dass die Konkurrenz eben das Geschäft belebt und davon die Leser profitieren […]
[…] Zu diesem Zeitpunkt hatte die Rundschau noch eine minimal höhere Auflage als die SZ. Doch schon nach vier Jahren folgte dann die Kehrtwende – zwischenzeitlich hatte die Konkurrenz…Nach einem Holperstart war die LR sehr bald wieder das, was sie einmal im Lokalen für unsere Stadt […]